Ein paar Tage nachdem ich mein Zeug auf fünf verschiedene Standorte verteilt hatte, wurde ich in meine zukünftige WG eingeladen. Wir waren bisher noch nicht dazu gekommen uns um den Mietvertrag
zu kümmern und dies sollte nun erledigt werden. Ich klingelte und wurde per Buzzer hineingelassen. Zunächst wollte ich allerdings nachschauen, ob all die Sachen, die ich unter dieser einen Treppe
verstaut hatte, noch dort waren. Ich ging also vom Seiteneingang im linken Treppenhaus über den großen Haupteingang, welcher gleichzeitig als Durchfahrt zum Innenhof diente, zum rechten
Treppenhaus. Dieses hatte, wie das linke Treppenhaus, einen Durchgang zum Innenhof, allerdings keinen direkten Ausgang auf die Straße. Hier hatte ich meine Dinge untergebracht. Unter der Treppe,
direkt neben der Tür zum Innenhof.
Ich kam in den Gang und drückte den Lichtschalter. Auf den ersten Blick konnte ich erkennen, dass nicht mehr alles so stand wie ich es hinterlassen hatte. Tatsächlich lagen die meisten
Gegenstände nun mehr, als das sie standen. Die Kommode war halb in den Gang geschoben, das auf einen Keilrahmen gespannte Leinenbild lehnte auf der gegenüberliegenden Seite an der Wand. Mehrere
meiner 12 Bananenkisten waren geöffnet. Inhalt verteilt. Verschiedene Bretter von Regal, Schrank und Schreibtisch, wie ich zu diesem Zeitpunkt schätzte, lagen, standen und lehnten kreuz und quer
vor der Innenhoftür, so dass selbige nicht mehr geöffnet werden konnte. Die Unterbettkommode (ja, ich musste erst das Internet nach der korrekten Bezeichnung befragen) lag dort auch mittendrin
und oben drüber. Halb geöffnet. Inhalt verstreut. Das 2x2 Ikearegal mit Kästen schien unbewegt. Inhalt vorhanden. Der Sessel schien unberührt. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich wohl ein Foto
aufnehmen sollen. Doch etwas anderes, etwas wichtiges, stach mir wortwörtlich in die Augen. Er setzte sich sehr gut vom weiß-schwarz-grauen Hintergrund ab. Dann ging das Licht aus.
Hatte ich hier wirklich zwei Minuten lang am Fleck gestanden und das Chaos stillschweigend beobachet oder hatte das Licht in diesem Flur nur eine kurze Brenndauer? Ich drückte den Lichtschalter
erneut und da war er wieder. Der blaue Ordner. Er lag da einfach so auf der Kommode. Ich schlug ihn auf. Bankkontounterlagen. Kontoauszüge. Pinnummern für Onlinebanking. Schlagartig wurde mir
klar, dass diese Unterlagen nicht die einzigen waren, die ich in den Kisten hier unter der Treppe zurückgelassen hatte. Ordner mit Versicherungsunterlagen. Ordner mit persönlichen Notizen und
Briefen. Odner mit Vertragsunterlagen und Zugangsdaten. Ich schob die Kommode energisch aus dem Weg, um an alle Kisten zu kommen. Nach und nach öffnete ich die Kisten. Naja, die Kisten, die nicht
sowieso schon geöffnet rumlagen. Es waren auch nicht mehr viele übrig. Drei, die ich direkt sehen konnte. Es fehlten definitiv einige Kisten und in keiner der noch vorhandenen waren die Ordner.
Dann fiel mir ein, dass noch eine Kiste in die äußerste Ecke der Treppenvertiefung neben den Sessel geschoben worden war. Ich sah nach und die Kiste war immer noch dort. Sie sah auf den ersten
Blick unangetastet aus. Ich zog sie hervor. Diese hier hatte ich mit einem Bettbezug abgedeckt. Er lag noch über allen Sachen und war auch immer noch glatt gezogen. Ich entfernte den Deckel, hob
den Bettbezug an und sah die Ordner. Erleichterung stellte sich ein. Mir war während der Suchaktion nicht bewusst gewesen, wie angespannt ich war. Doch jetzt fiel diese Anspannung. Als ich ein
paar Tage zuvor innerlich von diesen Gegenständen Abschied genommen und mich darauf eingestellt hatte keine davon wieder zu sehen, hatte ich nicht an diese Ordner gedacht. Ich dachte es wäre
nichts wichtiges dabei gewesen. So kann man sich irren.
Da ich alle Ordner in der Kiste direkt mitnehmen würde, stellte ich sie zur Seite und legte den blauen Ordner obendrauf. Danach begann ich die anderen Sachen zusammenzupacken und wieder
ordentlich unter der Treppe zu verstauen. Richtig, sie mussten noch ein paar Tage länger hier verweilen. Was alles fehlte konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht genau sagen, doch mir war klar, dass
ich mindestens fünf Kisten verloren hatte.
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